Hier folgt nun, ein kurzer Bericht über das was geschah.
Zum Styrkeprøven 2000 reisten Gunnar, Jens, Mö und Thomas aus
weit entfernten Teilen Europas an, darunter die Weltstädte Dresden
und Bristol. Nach einer kleinen Vorbereitungstour von Bergen nach Åndalsnes
erholten wir uns noch 3 Tage in Trondheim, mit angeln, reichlichen Stadtgängen
und gutem Essen und fiberten natürlich dem Sonnabend entgegen. Die
Nächte waren jedoch nicht allzulang und immer wieder gingen skeptische
Blicke gen Himmel, würde er seine Schleussen öffnen oder uns
gutes Wetter beschehren?
Der
Freitag kam und am Fuße des Blockes in dem ich mein zu Hause hier
in Trondheim gefunden habe bereiteten wir uns nun gründlich vor. Die
Räder wurden noch einmal poliert und schon vorbeugend mit einem Styrkeprøven
Aufkleber versehen, auf die Ketten noch einmal ausgiebig Öl geträufelt
und dann huschelten wir gemeinsam zur Anmeldung, um unsere Startnummern
und den Zeitmeßchip abzuholen. Wir stellten uns am Ende einer langen
Schlange an, gefüllt mit durchtrainierten Körpern, aber auch
hier und da ein mehr hobbymäßig gekleidetes und bemuskeltes
Antlitz. Von eher weniger jung bis alt waren wir versammelt, die die am
nächsten Morgen sich von Trondheim aus auf den Weg nach Oslo aufmachten.
Viele wechselten noch die Startzeiten, Teams oder kauften sich noch die
Lizens zum Starten.
Nach einem kurzen durchströmern der Verkaufszelte im Hinterhof der
Schule, wo wir uns anmeldeten kauften sich Jens und Thomas noch jeder eine
Trinkflasche und der Gunnar Flaschenhalterungen, es mußte ja wirklich
alles stimmen, für die Kraftprobe, was der nahme Styrkeprøven
übersetzt heißt. Am Abend gab es noch einmal Spirelli mit Tomatensauce,
die Sachen wurden gepackt und wir zwängten uns für eine letzte
Nacht in mein enges Zimmerchen. Natürlich nicht ganz ausgeschlafen
aber durch die Anspannung munter genug, begannen wir 5:16 Uhr den Tag,
mit einem ausgibigen Frühstück und radelten geradeso pünktlich
zu Gepäckabgabe, Photosession und Start.
Noch einmal letzte, die Nervosität abbauende, Toalettengänge
wurden zurückgelegt und so langsam näherten wir uns 7:10 Uhr,
unserer Startzeit zusammen mit 95 Gleichgesinnten aus der ersten Langzeitgruppe.
Eine zweite sollte sich 5 Minuten nach uns auf die Strecke wagen. Es ging
los, die ersten Pedaltritte lösten die Spannung und wir rollten in
einem gemütlich Tempo die ersten Kilometer. Doch schon nach etwa einer
Stunde setzte ein erster Regen ein, dem wir aber mit entsprechender Kleidung
entgegentraten und die Reise auf den Rädern unbekümmert fortsetzten.
Die 70 km nach Garli, dem ersten Verpflegungspunkt, vergingen sehr schnell
und wurden mit einem etwas steileren Anstieg, an dem wir einige sich mühende
Rennradler locker überholten, abgeschlossen. Da wartete auch Gunnar
auf uns, der nicht die kleine Regenpause mitmachte und sich an andere Radler,
beziehungs- weise hinter ein größeres Feld hängte.
Zu
speisen gab es Rosinenbröt- chen und Bananen. Ich stopfte so viele
Bananen wie nur möglich in mich hinein und aß auch um die Rosinen
in einem Brötchen drumherum. Thomas wollte die Pause so kurz wie möglich
halten und begann sich wieder in Bewegung zu setzen. Auch wir folgten nur
wenig später. Dann begann die nächste Etappe mit Ziel in Oppdal
etwa 120 km von Trondheim entfernt. Unterwegs wurden wir wieder von einem
Feld überholt an das wir uns diesmal aber dranhängten, d. h.
Gunnar, Mö und ich. Thomas und Jens gingen mit etwas mehr Vernunft
an die Distance und fuhren das Tempo, das ihnen die längste Kondition
versprach. So kam es, daß wir in Oppdal wieder auf die beiden warteten
und wärend sie sich noch die Mägen vollschlugen, hörten
wir, wie sich die Manschaft "Rye" wieder zur Weiterfahrt vorbereitete.
Da wollten Gunnar, Mö und ich nicht fehlen, war es doch für uns
eine riesen Erleichterung einfach im Windschatten mitzuradeln. Wir steckten
uns noch eine Packung Brot in den Rucksack und begleiteten das Team. Zu
Anfangs legten diese ein super hohes Tempo vor, so daß wir schon
fast daran zweifelten ob es sinnvoll sei da mitzufahren, aber als es wieder
ein wenig bergiger zuging hatten wir klar unsere Vorteile und kamen so
gemeinsam mit dem Team Rye in Hjerkinn auf dem Gipfel an.
Einzig
ein riesiges Zelt mit Suppe, Brot, Getränken und einem Heizlüfter
stand da mitten auf dem höchsten Punkt der Strecke, 1024 m ü.
d. M.. Wir mußten nicht lange auf Thomas und Jens warten, genehmigten
uns die leckere Champignonsuppe und blickten auf die noch 380 bevorstehenden
Kilometer. Ein kräftiger Regen setzte ein, nur kurze Zeit bevor wir
starten wollten, es half alles nichts, wir mußten in die Regenklamotten
und weiter. Thomas und Jens legten nun ein gutes Tempo vor und es begannen
einige sich in unseren Windschatten zu legen, Radler mit Rennrädern
die uns Mountainbikern doch hätten weit überlegen sein sollen,
sie machten überhaupt keine Anstalten mal ein wenig etwas für's
Tempo zu arbeiten. Damit hatten wir aber im Verlaufe des Abends und der
Nacht noch einige Male zu kämpfen, andererseits nutzten wir ja auch
hin und wieder den Windschatten anderer. So eilten wir also dem nächsten
Stop in Dovreskogen entgegen, um uns da endlich mal eine warme Mahlzeit
abzuholen. Vier mager gefüllte Teller Spagethi verschlang ich und
so einige Scheiben Brot noch dazu. O.k., der vierte Teller hätte vielleicht
nicht sein müssen, denn durch das vorgebeugte Sitzen wird die Verdauung
ja auch nicht gerade gefördert, aber mein Energiebedarf war auf alle
Fälle gut gedeckt. Noch immer guter Laune ging es auf zu Verpflegungsstation
5, Kvam, eine 50 km Distance bis zur Hälfte der Gesamtstrecke bei
Kilometer 270. Vier bis fünf Kilometer vor dem Haltepunkt legten wir
uns mal wieder auf ein zuerst vorbeiziehendes Feld, in dem wir gemütlich
nach Kvam einrollten.
Wieder
gab es Brot und Bananen und nach einigen Diskrepanzen verständigten
wir uns darauf, daß wir von nun an "die Rennradler Rennradler sein
lassen" und für die restlichen 270 km zusammen bleiben. Mittlerweile
ward es 20:00 Uhr und wir waren nur noch 40 km, also weniger als zwei Stunden,
von Ringebu, der nächsten Verpflegungsstation und Treffpunkt mit Anett
und Axel entfernt. Damit wurden die Sorgen größer, wie wir Anett
treffen könnten, hatten wir doch eine Zeit von 6:00 Uhr morgens veranschlagt.
Geplagt von diesen Gedanken machten wir uns wohlgenährt, ich aß
diesmal weniger, wieder auf die Socken und gegen 22:00 Uhr erreichten wir
Ringebu und sahen Anetts Rad vor einem Zelt auf einer Wiese direkt neben
dem Servicegebäude, und die Steine purzelten nur so herunter. Die
Wiedersehensfreude war riesig und so gingen wir gemeinsam ans Abendmahl,
diesmal mit süßer Suppe, an die man sich aber erst durch einige
Schlucke gewöhnen mußte.
Noch
dazu gab
es Marmeladenbrotscheiben, für mich nicht das richtige, um gestärkt
auf den neuen Abschnitt zu gehen, so packte ich mein mitgenommenes Brotpäckchen
aus und verschlang alle sich darin befindenden Scheiben, war ich froh,
daß ich die hatte. Ich stellte noch ein wenig an Anetts Gangschaltung
herum und dann ging es auch gleich schon wieder weiter, mit Begleitung
von beiden auf den ersten 2.3 Kilometern. Lillehammer nahte, Thomas erstes
grösseres Ziel, das was auf alle Fälle zu schaffen sein sollte.
Es näherte sich so langsam dem dunkelsten Punkt der Nacht und wir
erreichten Lillehammer. Bis zu diesem 360. Kilometer der Strecke lief alles
bestens, aber die Müdigkeit holte uns ein. Der Aufenthaltsraum der
Verpflegungsstation war tropisch feucht, die Fenster beschlagen und alles
drängte hinein, um vielleicht einige wenige Minuten des Schlafs zu
erhaschen.
Diese
gönnte sich auch Thomas. Länger als eine Stunde wärmten
wir uns da drinnen, Gunnar trocknete seine Schuhe und Socken ein wenig
und draußen begannen so langsam die Vögel den neuen Morgen einzuzwitschern.
Der Wiederanfang war schwer, eine zu lange Pause, die wir wohl alle in
unseren Knochen und Gelenken spürten. "Wer rastet der rostet!" für
die nächsten 10 bis 15 Kilometer folgte die Lehre auf dem Fusse oder
besser im Knie? Aber das nunmehr stetige auf und ab im Gelände bewirkte
ein Auftauen und Lindern der kältegeschockten Muskulatur und der Gelenke.
So kämpften wir uns auf 40 langen Kilometern nach Rudshøgda,
wo uns mal wieder Nudeln mit diesmal kalter Tomatensauce aus dem Glas angeboten
wurden. Uns überlassen auf einerBank sammelten wir wieder Kräfte,
körperlich und mental. Nun dachte keiner mehr an das Ziel, an Oslo,
nun reichten die Gedanken nur bis zur nächsten Verpflegungsstation
und zu der danach. Immerhin, Kilometer 400 lag jetzt schon hinter uns.
Diesmal hielt ich mich im Essen zurück, wollte ich meinen Körper
mit der Verdauung nicht unnötig belasten, denn sonst würde er
nur träge werden und ich am Ende noch auf dem Rad einschlafen. Wieder
erwarteten uns 40 Kilometer bis zur nächsten Station, 40 schwere und
langsame Kilometer.
Alle
fielen wir plötzlich wie ein wenig in Schlaf und wir hatten zu kämpfen
das Tempo einiger maßen oben zu halten, ich erblickte nur allzuoft
eine 19 auf dem Tacho und unsere Durchschnittsgeschwindigkeit sank von
etwa 27 km/h in Hjerkinn stetig ab und pegelte sich so um die 25 km/h ein.
Kurz vor Kolomnoen streikten die nach Schlaf ringeden Köpfe und selbst
die Sonne konnte uns nicht auf den Rädern halten, so daß wir
mitten im Nichts auf einem Steinhaufen eine Pause machten, wie sich herausstellte
nur wenige Minuten vom nächsten Essenspunkt entfernt. Nun kamen leise
Gedanken des "Es ist genug." auf, die wir aber nach mehrmaligen studieren
des Streckenprofils und der Regeln für die Ziel- einkunft, also Zeit
und Ort, zurückdrängen konnten.
Zu
meinem Ärgernis gab es an dieser Station wieder nur Rosinenbrötchen,
so daß ich auf die Bananen und von Mö mitgebrachte Korniriegel
zurückgreifen mußte und mich somit schon riesig auf den nächsten
Stopp freute. Musik brachte Gunnar wieder auf bessere Laune, vertrieb ein
wenig den Schlaf und Thomas und Jens dösten etwas vor sich hin. Nun
kam die Willenskraft bei allen wieder zurück, 30 km bis zum nächsten
Halt, 40 bis zu dem danach und dann noch einmal 30 km bis zum Ziel. Alles
in allem 100 lächerliche Kilometer, die an einem normalen Tag ein
Nichts sind, doch hier waren sie eine Ewigkeit, einhundert nicht enden
wollende Kilometer. Die Pausen taten gut, wir kamen wieder auf ein gutes
Tempo und mit einem kurzen Zwischenstopp kamen wir nach Minnesund wo Jens,
Gunnar und Thomas wieder eine Tüte Schlaf abfaßten. Es war nun
mitten am Tage, die Radler wurden von Station zu Station dezimiert, unterwegs
kamen wir an Menschen vorbei, die sich am Strassenrand längs hinlegten
und einfach nur schliefen, daneben einer, der wohl auf den Servicewagen
wartete.
Ein
Anblick, der uns von ganz alleine zur nächsten Verpflegungsstation
trieb. Kløfta erreichten wir etwa gegen 12:00 Uhr. Dort gab es sogar
Milch zum Morgen und ein letztes Mal ruhten wir uns von den Strapazen aus
um die letzten 30 km anzugehen. Ein Strahlen kehrte in die Gesichter und
Freude machte sich langsam breit, denn das Ziel war nun so nah und auch
das Streckenprofil verhieß nur noch zwei Steigungen. Am Ende blieb
sogar noch Kraft um einen Rennradler abzuhängen und gemeinsam versuchten
wir über die Ziellinie zu rollen, was aber nur im Rahmen von 2 Sekunden
gelang und so kamen wir nach 31:01:09 bzw. 31:01:10 Stunden, etwa 10 nach
14 Uhr, im Ziel an. Legten wieder eine Photosession ein, holten unser Gepäck
und die Medaille und liefen nach einem kurzen abschlappen zum 8 km entfernten
Ekeberg-Zeltplatz, wo wir die Zelte aufschlugen, etwas aßen und uns
dann totmüde um 20:00 Uhr in die Schlafsäcke verkrochen.