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Trans Rockies – Prolog (13.08.2010)

Little Elbow – Rafter Six Ranch

Heute Morgen sagte Jörn: „Attacke“. Also schwangen wir uns in die Klamotten und aufgewärmten Schuhe.

Ich war wohl so aufgeregt, dass ich gar nicht bemerkte wie ich mir noch ein zweites Trikot überziehen wollte. Felix kommentierte das aber und hielt mich davon ab, obwohl ich erst protestierte. Attacke? Also taten wir es. Vom Start weg legten wir los, wir waren ja in den zweiten Startblock zurückgefallen, konnten aber schon vor dem Startschuss beim zusammenschieben des Feldes uns weiter nach vorne mogeln. Die heutige Klamottenwahl war echt schwierig. Eine lange Etappe, auf 2200 m rauf, es regnete schon zum Morgen, aber wir fahren ja Wettkampf. Ich entschied mich dann für Knielinge, und was langes Wärmeres unter das kurze Trikot. Die Regenjacke wurde wie jeden Tag im Trinkrucksack verstaut. Von Little Elbow über 3 Berge zur Rafter Six Ranch. Bis auf’s Wetter eine würdige Königsetappe.
Wir kamen ganz gut los, obwohl diesmal die andere Seite meines Rückens jämmerlich verspannt war und ich das beim Schieben merkte. Die Niederländer konnten sich nicht zu weit absetzen. In der ersten kleinen steinigeren Abfahrt überholten wir die Niederländerin wieder am Ende der Abfahrt tauchte auf einmal die Schweizerin von hinten auf. Im welligen Gelände konnten wir aber kontern. Sie blieb zwar noch ein wenig an meinem Hinterrad dran, aber irgendwann musste sie dann doch abreißen lassen. Das macht so im direkten Gegnerkontakt aber auch eine menge Spaß. Und die Jungs haben sich das bestimmt von hinten lustig angeschaut wie wir um die Platzierungen kämpften. Als ich dann beinahe so richtig mal ein Schlammloch vermessen hatte, eine Schlammspur hebelte mich aus, verlor ich meine Brille. Während Felix zurück rannte und die Brille suchte wurden wir natürlich wieder überholt. Wobei der Teamkollege von der Niederländerin vermutlich schon über alle Berge war und sie alles alleine fahren musste. Nach der ersten Verpflegung ging es in den Hauptanstieg des Tages. Es regnete natürlich immer noch, aber es schien weniger zu werden. Es „rollte“ relativ gut hinauf. Selbst steilere Stücken konnten wir im fahren nehmen. Oben wurde es aber schon recht kalt. Auf der ersten kleinen Abfahrt bemerkte Felix, dass seine Bremse gar nicht so gut läuft und der Belag fast weggebremst war. Noch „schnell“ über den Gegenanstieg und dann hatten wir die meisten der Höhenmeter des Tages bewältigt. Oben war es echt ungemütlich, kein Regen, aber Wind im offenen Gelände und eisig kalt. Auch ich zog mir nun lieber meine Regenjacke an. Im Anstieg hörten wir schon einen Helikopter über uns kreisen. Filmte er oder schaute er nach Verunglückten oder was tat er? Für uns ging es einfach nur weiter. Felix baute die Spannfeder zwischen den Bremsbelägen aus und ich verschwand unterdessen im Busch. Natürlich zu dem Zeitpunkt als das bisher einzige Streckenmotorrad vorbei fuhr und fragte ob bei mir alle in Ordnung sei, weil ja mein Rad am Streckenrand lag … Die Aussicht konnten wir auf Grund des Nebels nicht genießen und irgendwann ging es dann in eine für mich herrliche Abfahrt. Die Felix leider zum größten Teil hinab schieben musste. Gut 100 hm unter dem Berggipfel tauchte überraschend die Niederländerin auf. Es lagen noch etwa 600 hm vor ihr, wofür sie scheinbar einiges an Zeit benötigte. Ihren Teampartner trafen wir eine halbe Stunde später am zweiten Kontrollpunkt im Wärmezelt. Er hatte wohl noch ein wenig auf sie zu warten. Felix hatte unterdessen weiter mit seinen Bremsen zu kämpfen, sie waren so verschlammt, dass er selbst im flachen ackern musste um an mir dran zu bleiben, sie bremsten nämlich von alleine und das klang gar nicht angenehm. Normalerweise sollten sich Teampartner nicht mehr als 2 min von einander entfernen, aber das schien die Streckenkontrolleure gar nicht zu interessieren. Nagut, angestachelt davon ging es auf die letzten 25 km. Überwiegend bergab und dann doch relativ schnell Richtung Ziel entgegen. Unterwegs wunderten wir uns warum wir Teams sahen, die wir die Tage zuvor nie gesehen hatten. Und im Ziel waren auch schon ganz viele, die sonst immer deutlich langsamer waren als wir und das wo wir doch heute Attacke gefahren sind und uns auch ganz flott vorkamen. Bald erklärte sich alles, die Rennleitung hatte ab dem ersten Verpflegungsposten kurz nach uns die meisten Teams lieber über die Straße und nicht über den Berg geschickt – wegen der Kälte und dem Wetter oben auf dem Kamm. Das war schon eine irrsinnige Etappe und auf alle Fälle verdiente diese den Namen Königsetappe. Für uns war das eine Vorentscheidung um Platz 4 denn wir holten 40 min auf die Niederländer raus, die Schweizer nahmen den Zeitverlust in Kauf und fuhren nicht über den Berg. Das Wetter und die schwierigen Bedingungen kamen uns wohl entgegen und am Ende hatten wir sogar einen Podestplatz in der Tageswertung. Mit Platz 3 waren wir das einzige Team was überhaupt mal in die Überlegene 3er-Spitze einrücken konnte. Mal wieder entgegen den natürlichen Gesetzen eines MTB-Marathons gewannen wir den Positionskampf im Bergabfahren und vor allem durch die Super Teamarbeit – die Niederländer waren uns fahrerisch eigentlich überlegen. Um Felix beneideten mich wohl so manche andere Teampartner und ab und an hat auch mal ein anderes Team im Schieben geholfen, das war dann natürlich auch ganz witzig. Auf der Abschlussetappe heißt es nun nur noch den Vorsprung von 35 min zu verteidigen.